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Aus der Sicht und mit den Worten von ...
Kim Müller, Fachanwalt für Strafrecht


Kleine Einblicke, was sich manchmal alles hinter den Kulissen so abspielt.

Vorbestraft ? Für immer ? Bundeszentralregister (BZR) und polizeiliches Führungszeugnis

Ich muss selbst immer wieder nachschauen, wie die Löschungsfristen sind, wenn mich die Mandanten fragen, daher hier mal ein Artikel für mich selbst und alle Interessierten:

Ein weitverbreiteter Irrglaube (übrigens auch unter Richtern und Staatsanwälten): Eine Verurteilung bis 90 Tagessätzen erscheint nicht im polizeilichen Führungszeugnis.
Tatsächlich ist diese Aussage schonmal falsch. Richtig ist: Eine Verurteilung bis 90 Tagessätze oder bis zu 3 Monaten Freiheitsstrafe erscheint nicht im Bundeszentralregister, „wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist“, §32 II Nr.5 BZRG.

Konkret: Wird jemand zu 30 Tagessätzen verurteilt, und später zu weiteren 10 Tagessätzen wegen eines anderen Delikts, erscheinen beide Strafen im polizeilichen Führungszeugnis, obwohl die Grenze von 90 Tagessätzen immer noch unterschritten ist.

Exkurs: Diese Register gibt es überhaupt

a.) Das Bundeszentralregister

In das Bundeszentralregister kommt jede rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung, egal wie hoch oder niedrig. Nicht erfasst werden Ordnungswidrigkeiten (z.B. Falschparken, zu schnelles Fahren).
Ebenfalls nicht erfasst werden (ganz wichtig !) Ermittlungsverfahren, Verurteilungen, gegen die ein Rechtsmittel eingelegt wurde, eingestellte Verfahren, Freisprüche und Verurteilungen nach dem Jugendstrafrecht.

Das Bundeszentralregister wird in Gerichtsverhandlungen regelmäßig verlesen, und fließt in die Bestimmung des Strafmaßes mit ein:
– Keine Eintragung: Eher mildes Urteil
– Voreintragung: Gewohnheitsstraftäter, kräftig draufhauen
– Einschlägige Eintragung: Einsperren und Schlüssel wegwerfen (sinngemäß)

Den aktuellsten BZR-Auszug bringt immer die Staatsanwaltschaft zur Verhandlung mit.

b.) Das Einfache Führungszeugnis

Das einfache Führungszeugnis ist ein Ausschnitt aus dem BZR, bei dem erstmalige Verurteilungen bis zu 90 Tagessätzen/3 Monaten Freiheitsstrafe nicht enthalten sind.
Die Löschfristen für weiter zurückliegende Verurteilungen sind für das Führungszeugnis kürzer als die Löschfristen für das Bundeszentralregister.
Es kann also sein, dass eine Eintragung im Führungszeugnis schon raus ist, im BZR aber noch enthalten.

c.) Das Erweiterte Führungszeugnis

Im erweiterten Führungszeugnis sind zusätzlich alle kinder- und jugendschutzrelevanten Verurteilungen aufgeführt. Wird hauptsächlich benötigt, wenn man eine Tätigkeit ausüben möchte, wo ein Kontakt mit Kindern und Jugendlichen besteht.

d.) Das Behördliche Führungszeugnis

Das behördliche Führungszeugnis wird direkt an die Ämter oder Gerichte geschickt, ohne dass es der Interessent selbst in die Finger bekommt.
Wer z.B. einen Schlüsseldienst als Gewerbe anmelden möchte: Mit einer Vorstrafe wegen Einbruchdiebstahls keine Chance.

e.) Das Europäische Führungszeugnis

Für Leute mit mehreren EU-Staatsbürgerschaften: Hier finden sich neben den Einträgen des deutschen BZR auch die Einträge des Herkunftslandes wieder.

Weitere spannende Verzeichnisse, aber rechtlich meist nicht von besonderer Relevanz:

f.) Das Verfahrensverzeichnis der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft weiß alles (oder meint, alles zu wissen). Zumindest finden sich in diesem Register, welches ganz genau „Zentrales Staatsanwalt­schaftliches Verfahrens­register“ (ZStV) heißt, wohl sämtliche abgeschlossenen und laufenden Verfahren wieder, einschließlich sämtlicher Verfahrenseinstellungen.

Es kommt nicht selten vor, dass man in Ermittlungsakten liest: „Der Beschuldigte ist bereits einschlägig in Erscheinung getreten“, und der Beschuldigte absolut keine Ahnung hat, was ihm wohl vorgeworfen worden sein könnte. Dieses Register ist der Grund, weil manche Ermittlungsverfahren, die sich quasi von selbst erledigt haben, dem Beschuldigten gar nicht bekanntgegeben werden.

g.) Das Erziehungsregister

In das Erziehungsregister kommen grob gesagt alle Verurteilungen und Maßnahmen, bei denen Jugendstrafrecht angewandt worden ist.
Das Gute: Nichts davon erscheint im polizeilichen Führungszeugnis, und solange keine Jugendstrafe verhängt worden ist.
Wenn nichts mehr dazukommt, wird mit 24 Jahren das Erziehungsregister gelöscht.

Und wie kann ich sowas einsehen ?

Eine eigene Einsicht in sein Bundeszentralregister kann man schriftlich beim Bundesamt für Justiz beantragen, §42 BZRG. Das eigene BZR wird einem aber nicht nach Hause geschickt, sondern man muss es bei einem Amtsgericht seiner Wahl einsehen, wo es anschließend gleich wieder vernichtet wird.

Die Einsichtnahme in das polizeiliche Führungszeugnis kann man beim jeweiligen Einwohnermeldeamt beantragen. Personalausweis mitnehmen und ein bisschen Geld (müsste ca. 15,00 EUR Kosten). Man bekommt sogar eine Kopie und darf die mit nach Hause nehmen und überall vorzeigen.

Spaßeshalber kann man auch mal die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft über sich aus dem Staatsanwalt­schaftliches Verfahrens­register anfordern. Das macht man beim Bundesamt für Justiz. Interessant wäre zu erfahren, ob die auch kommt, wenn aktuell Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller laufen. Das wird wohl kaum mitgeteilt werden. Aus der Verweigerung der Einsicht können dann aber problemlos weitere Schlüsse gezogen werden.

Die Löschungsfristen

Zurück zur Ausgangsfrage: Vorbestraft für immer gibt es nur in Ausnahmefällen. Tatsächlich existieren Löschungsfristen für 99 Prozent aller Fälle:

a.) Löschungsfristen für das Bundeszentralregister (BZR), §46 BZRG

Die Tilgungsfrist richtet sich grundsätzlich nach der Strafhöhe:

  • 5jährige Tilgungsfrist für Strafen bis 90 Tagessätze oder 3 Monate, wenn sonst keine Eintragungen vorhanden sind (ansonsten 10 Jahre)
  • 10jährige Tilgungsfrist für Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr
  • Ansonsten (alles andere): 15 Jahre
  • Ausnahme: Schmuddelkram (sexueller Mißbrauch, etc.): 20 Jahre

Nie gelöscht werden Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe und/oder die Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus. Hintergrund ist wohl, dass man die psychische Entwicklung nachvollziehen können will.

Die Löschung muss übrigens nicht gesondert beantragt werden, sondern erfolgt vollautomatisch.

b.) Löschungsfristen für das Staatsanwalt­schaftliche Verfahrens­register, §494 II StPO

Die Löschfrist beträgt eigentlich zwei Jahre, allerdings ist ambitionierten Staatsanwälten die Möglichkeit eingeräumt, die Frist ewig zu verlängern, indem sie immer wieder neue (unsinnige) Verfahren eintragen, die dem Beschuldigten nichtmal bekanntgegeben zu werden brauchen. Kein Plan, wer sich sowas ausgedacht hat.

c.) Löschungsfristen für das polizeiliche Führungszeugnis

Für die meisten aber am relevantesten: Wann ist das Führungszeugnis wieder sauber ?

Was nicht mehr im BZR steht, kann schonmal nicht mehr im Führungszeugnis auftauchen. Tatsächlich sind die Löschfristen aber sogar noch kürzer:

  • 3jährige Tilgungsfrist für Strafen bis 90 Tagessätze oder 3 Monate, sowie Bewährungsstrafen bis zu einem Jahr, wenn sonst keine Eintragungen vorhanden sind.
  • Ansonsten: 5jährige Tilgungsfrist
  • Ausnahme: 10jährige Tilgungsfrist bei bestimmten Sexualdelikten

Lebenslange Freiheitsstrafen sowie angeordnete Sicherungsverwahrungen werden auch hier niemals gelöscht.

Fristbeginn für die Löschungsberechnung ist übrigens sowohl beim BZR als auch beim Führungszeugnis das Ende der verhängten Freiheitsstrafe bzw. die vollständige Begleichung der Geldstrafe. Es kann sich also nachteilig auswirken, eine Geldstrafe über Jahre in Raten abzuzahlen.

Und, das ist doof: Neue Eintragungen führen zu einem Neustart der Fristberechnung. So kommt es desöfteren mal vor, dass der Richter bei der Verlesung des BZR sehr weit in die Vergangenheit gehen muss.

In diesem Sinne: Falls ich jemandem mit diesem Artikel eine erste Orientierung geben konnte, freue ich mich über eine positive Google-Bewertung über diesen Link.

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